Foto © Marc Lontzek
Extras

Mit viel Ironie und bissigem Humor:

„Quälbarer Leib – Ein Körpergesang“ auf der Probebühne

 

So liegt die Zukunft in Finsternis, und die guten Kräfte
Sind schwach. All das sahst du
Als du den quälbaren Leib zerstörtest.

lauten die letzten Verse des Gedichtes Zum Freitod des Flüchtlings W. B.
Bertold Brecht widmete diese Worte dem im Jahre 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten verstorbenen Autor und Philosophen Walter Benjamin. Das Gedicht ist mehr als nur ein Nachruf; es ist zugleich auch der Versuch, die Geschichte eines Menschen zu erzählen, dem selbst die Stimme genommen wurde.

Mit seinem Titel Quälbarer Leib – Ein Körpergesang greift Amir Gudarzi die letzten Zeilen von Brechts Gedicht auf, um sich entlang von Körperlichkeit und Stimme mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die die komplexe Geschichte Afghanistans und Europas erzählt werden kann. Der Autor wurde 1986 in Teheran geboren und studierte dort Szenisches Schreiben. Dort geriet er in Konflikt mit dem politischen System, sodass er 2009 nach Wien emigrierte. Die verschiedenen Blickwinkel auf die Entwicklung innerhalb und außerhalb Europas, die Gudarzis Leben prägten, finden sich ebenfalls in seinem Stück wieder:

Mythologische Figuren wie der Held Odysseus und der Baumeister Dädalus kommen ebenso zu Wort wie der Chor des Roten und des Schwarzen Flusses, der die Entwicklung Afghanistans seit den 1970ern nachzeichnet. Gleichzeitig werden jüngste politische Ereignisse Europas in die Handlung eingewoben. Gudarzi zeigt so in einem vielschichtigen Geflecht von Mythos und Geschichte Verbindungen auf, die unsere eurozentristische Perspektive herausfordern.

Aber wie bringt man eine Geschichte auf die Bühne, welche die Geschichtsschreibung selbst hinterfragt? Wie sollen Figuren gespielt werden, die nicht mehr als ihre Stimme sind, nur Flächen oder Gefäße für eine Sprache, die nicht ihre eigene ist? Diese und viele weitere Fragen beschäftigen den Regisseur Jan Steinbach und sein Team bei der Arbeit an dem Stück. Während der Konzeptionsproben wurde bereits deutlich, dass es sich hier um ein Stück handelt, das dazu einlädt, tiefer in die Geschichte Afghanistans einzutauchen und davon ausgehend die Gegenwart Europas neu zu befragen. Mit viel Ironie und bissigem Humor ermöglicht uns das ‚Quälbarer Leib‘-Ensemble einen Zugang zu diesen Themenkomplexen, ohne den bitteren Beigeschmack zu übergehen, mit dem das Stück zum Denken anregt.
 

Luca Manitta
 

Uraufführung: Fr, 19.04.2024, 19:30 Uhr, Großes Haus
Gewinnerstück des Christian-Dietrich-Grabbe-Preises 2022

Zurück